" Anordnung über die Programmgestaltung bei Unterhaltungs- und Tanzmusik vom 2. Januar 1958.
§1 |
Trifft der eine den anderen Musikus und fragt: "Na, wie geht's?"
Sagt der andere: "Wie soll's gehen - 60 zu 40."
![]() Wenn es Abend wird Peter Wieland (Solowjew; Dedoi; dt. S.Osten) 1960 (AMIGA Schlager Archiv 1: 1958-1968)
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Wie tatsächlich mit dieser Anordnung von 1958 in den Jahren danach umgegangen wurde, wissen sicherlich am Besten diejenigen zu berichten, die mit ihr umgehen mußten. Auch darüber gibt es inzwischen Literatur. In den alten Zeitschriften findet man Artikel, wie den folgenden fast nur vor der Veröffentlichung der Anordnung.
"Uns liegen Programme von Veranstaltungen vor, in denen selbst an Feiertagen wie dem 1.Mai von manchen
Kapellen nicht ein einziger Titel aus der Produktion des Verlages der DDR gespielt worden ist. ..."
(Zeitschrift "Melodie und Rhythmus",1.Heft, 1/1958) |
Auch das Verkaufspersonal durfte seinen 'sozialistischen Beitrag' leisten:
"'Fräulein, 'ne Platte bitte' - Ein Streifzug durch das Schallplattengeschäft
... Und so wird folglich eine Verkaufskraft, deren Ideal 'Sing, Jonny, sing' ist, auch ihren Kunden diese Platte besonders
empfehlen, während eine andere vielleicht die 'Fidlowatschka' vorschlägt. Eine Verkäuferin, die die Qualitätsunterschiede
beider Platten kennt, kann durch eine bewußte Lenkung wesentlich zur Weiterbildung des Geschmacks ihrer Kunden
beitragen. ..."
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'Fidlowatschka' - entsprach so ganz dem 'neuen Schlager' :
Aber der Teufel steckt in Detail ! - was später ein Leserbrief zeigt:
Antwort der Redaktion:
"Wir bedauern außerordentlich, ... , wofür wir unsere tschechischen Freunde nachträglich um Entschuldigung bitten.
Moral: Bevor man die Eigenarten eines fremden Landes besingt oder darüber schreibt - und das gilt auch für uns als
Redaktion - muß man schon genauer darüber Bescheid wissen."
(Zeitschrift "Melodie und Rhythmus",2.Heft, 9/1958)
Zur eigenständigen Tanzmusik gehörten natürlich auch eigene, neue Tanzschritte, die es zu
erfinden galt. Peter Czerny kündigt schon Anfang 1958 dieses neue 'Kampfziel' an.
"... wird es auch möglich sein, im Laufe der Zeit einmal neue Gesellschaftstänze zu schaffen. Wir können dann den
westlichen Modetänzen endlich Eigenes entgegenstellen, in dem die Mentalität unserer ein neues Leben bauenden
Menschen seinen Ausdruck finden müßte.(Peter Czerny)"
(Zeitschrift "Melodie und Rhythmus",2.Heft, 2/1958) |
Ein Jahr später - 1959 - war er da!
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"Melodie und Rhythmus", 2.Heft, 1/1959)
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(Übrigens nicht - wie oft gesagt 1960 -
da gab es bereits den 2. neuen DDR-Tanz:
Pertutti.
Aber dazu später mehr.)
"
Melodie und Rhytmus lüftet das Geheimnis des DDR-Patentes 1-3-4-5 Der Name Lipsi Er klingt eigentlich auch ein wenig geheimnisvoll. Beim ersten Hören würden manche vielleicht eine Verwandtschaft mit Calypso vermuten. Aber die Sache verhält sich anders. Die Schöpfer des neuen Tanzes - der Komponist Rene Dubianski und das Tanzlehrerpaar Helmut und Christa Seifert - wirken alle seit Jahren in Leipzig. Und da Leipzig bei den alten Lateinern Lipsia genannt wurde, benutzten sie jenen Namen für den neuen Tanz. Man kann also sagen: ein interessanter, klangvoller Name, der zugleich eine tiefere Bedeutung hat. Der Charakter des Lipsi ... Musikalisch ist zunächst ein lateinamerikanischer Einfluß unverkennbar, wenngleich in der ursprünglichen Konzeption von Rene Dubianski der Lipsi aus einer Art zweier Walzertakte zusammengesetzt sein sollte. Aber durch die rhythmische Betonung wurde daraus etwas Neues. Inzwischen liegen weitere Kompositionen vor. Dabei kann man die interessante Entdeckung machen, daß von der Melodik her immer mehr deutsche Elemente einströmen. Wir haben es hier also mit einem aufschlußreichen Beispiel zu tun, wie fremde Einflüsse in unsere nationale Musik eingeschmolzen werden können. Auf der Tanzmusikkonferenz, die vom 13. bis zum 15. Januar in Lauchhammer stattfand, wurde der Lipsi erstmalig vorgestellt. Rene Dubianski ... Wir fragten Rene Dubianski, wie er eigentlich auf diese Idee gekommen sei. Das war so: Aus seiner Erfahrung als Kapellenleiter spürte er sehr deutlich, daß ältere Menschen beim Spielen von ausgesprochenen Modetänzen sich oft etwas verlassen fühlen. Er wollte nun einmal etwas schreiben, was zwar modern ist, aber auch die Verbindung mit der Tradition aufrecht erhält. ..." (Zeitschrift "Melodie und Rhythmus",2.Heft, 1/1959) |
Fast ein Jahr lang erscheint nun in jeder Ausgabe der oben genannten Zeitschrift ein Beitrag zum Lipsi.
Ob dieser Tanz - in Zeiten, wo der 'Rock'n Roll' die Welt eroberte, die DDR-Jugend überhaupt erreichte,
wage ich zu bezweifeln. Ich selbst hätte mir damals wahrscheinlich nicht die Mühe gemacht, die so 'leichten'
Tanzschritte zu erlernen.
Wer es dennoch jetzt tun möchte - bitte schön :
Die Lipsi-Schritte!
"Damit ist eindeutig bewiesen, daß wir über starke schöpferische Kräfte auf dem Gebiet der Tanzmusik
verfügen und das unsere Bestrebungen von Erfolg gekrönt sind, wenn auch unserem Tanzmusik-Schaffen
die richtige Orientieung gegeben wird,..." (aus 'Das Musikleben in der DDR (1945-1959)', Prof.Dr. Karl Laux) |