Mit dem Ende der Naziherrschaft sei auch das Ende der in Deutschland üblichen Cliquenwirtschaft gekommen, dachte
so mancher. Aber, wie kann man nur so optimistisch sein! Viele unserer prominenten Musiker von gestern wollen
doch auch heute in Führung liegen, und da kann man doch nicht neue Figuren neben sich gebrauchen. Also muß man
unter allen Umständen die Neuen bekämpfen, koste es was es wolle. Für die jungen, unverbrauchten Kräfte ist es schwer,
sich in diese Gedankengänge einzuleben. Manche bleiben bei dem sich entwpinnenden Kampf auf halber Strecke liegen,
die anderen beißen sich durch und erreichen dann eventuell das gesteckte Ziel. Auf welche Weise, das ist noch zu
schildern. ...
Da ist nun so ein junger Komponist, der es sich in den Kopf gesetzt hat, sich durchzubeißen. Nichts
böses ahnend, wendet er sich zunächst an den wieder zum Leben erwachten 'Schutzverband Deutscher Autoren', damit
ihn dieser als Mitglied in seine Reihen aufnehme und ihm den weiten Weg ebne; denn unser junger Musiker dachte, daß
dies zu den Hauptaufgaben des Verbandes gehöre. Er erhält ein Schreiben, in dem ihm mitgeteilt wird, daß er noch nicht
bekannt genug wäre, und man ihn aus diesem Grunde nicht aufnehmen könne. So entpuppt sich also diese Verein als ein
Sammelsurium der Prominenten von gestern und heute ( die heutigen sind ja im wesentlichen die gestrigen). Vergessen
den die Alten, daß auch sie einmal ganz klein angefangen haben?
Der Neue zieht nun seine Konsequenzen, er resigniert beileibe nicht. Er sagt, wer weiß, wozu es gut ist, daß du diesem
Verband nicht angehörst. Er versucht nun sein Glück bei einem Verleger. Ehe er hier überhaupt dazu kommt seine Noten
auszupacken, fragt ihn dieser nach seinen Mitarbeitern. Ist kein prominenter Name dabei, kann er sofort seine Sachen
wieder einrollen und verschwinden. Der 'rührige' verleger macht sich nicht einmal die Mühe, einen Blick auf die
Komposition zu werfen. Kann denn eine Komposition ohne prominenten Namen nicht ebenso gut oder vielleicht noch
besser sein als eine mit hochklingenden Autorennamen?
Der junge Komponist wendet sich nun an den Rundfunksender, damit von dort aus seine Kompositionen den Weg
in die Welt finde, damit er dann eventuell doch noch bekannt wird, um dann wiederum in den oben genannten Verband
eintreten oder einen Verleger finden zu können. Hier macht er einen entscheidenden Fehler. Er schickt die Noten durch die
Post ein. Bei dem betreffenden Referenten (was wäre eine deutsche Dienststelle ohne entsprechende Referenten?)
schmort nun die Komposition bis zur Weißglut. Platzt dem jungen Komponisten bei dem langen Warten der Kragen, so
holt er sich die Komposition beim Funk wieder ab, und der Referent ist glücklich, daß er die von ihm noch nicht bearbeitete
Sache los ist. Für eine Weile legt nun unser junger Freund seine Werke resigniert auf Eis.
Eines Tages packt es ihn wieder, und er wendet sich an alle prominenten Kapellen. Hier beginnt erst der richtige
Leidensweg. Gerade in der heutigen Zeit spielen diese meist nur ausländische Nummern, ab und zu mal eine alte deutsche.
Ehe sie sich einer neuen deutschen Nummer annehmen, verhotten sie lieber 'Hänschen klein' und Fuchs, du hast die
Ganz gestohlen'. ...
Ab und zu gelingt es einem der Außenseiter, die schützende Hülle der Prominenten einzudrücken oder sogar in sie
einzubrechen. So ein Einbruch erfordert aber eine wochen- oder gar monatelange Arbeit, die mit widerlicher Schmeichelei
und Unehrlichkeit verbunden ist. Sofort nach dem Einbruch schließt sich die Hülle wieder, der Neuling wird in die
Geheimnisse der Clique eingeweiht und automatisch derart erzogen, seinen eventuellen Nachfolgern dieselben
Schwierigkeiten in den Weg zu legen, wie sie ihm gemacht wurden.
Wir fragen, muß das sein? Wollen wir nicht endlich diese dummen, alten, snobistischen Angewohnheiten ablegen?
Ihr Schutzverbändler, ihr Verleger, ihr Rundfunk- und sonstigen Referenten und ihr prominenten Kapellen,
werft endlich eure alten, unzeitgemäße Prominentenhülle ab und unterstützt die jungen, neuen Komponisten, dann
bleibt ihr selbst jung!
Melodikus
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